Introduction
On September 1, 1944, Swiss envoy Hans Frölicher sent a letter to Swiss Foreign Minister Marcel Pilet-Golaz reporting on news he had picked up in Berlin. According to information from the SD (Security Service), the fugitive head of the Reich Criminal Police Office and former chief of Einsatzgruppe B, Arthur Nebe, was “carrying a large amount of material with him – notably orders concerning the extermination of Jews, the shooting of hostages, and other punitive actions”. At the time, the SD feared he might hand this evidence over to the Allies. In reality, however, Nebe had not fled abroad – he was hiding near Berlin and was eventually captured by the Gestapo in January 1945. Footage of a mass gassing carried out by Einsatzkommando 8 of Einsatzgruppe B was discovered in his Berlin apartment after the war.
Document




SCHWEIZERISCHE GESANDTSCHAFT IN DEUTSCHLAND
BERLIN NW 40, den 1. Sept. 1944.
FÜRST BISMARCK-STRASSE 4
P.B. Nr. 37
[Herrn Bundesrat M. Pilet-Golaz, Vorsteher des Eidgenössischen Politischen Departementes, Bern]
Herr Bundesrat,
Ich beehre mich Ihnen mitzuteilen, dass am 29. August wiederum führende Männer von Staat, Partei, ihrer Gliederungen und Organisationen und von der Rüstung zusammengerufen wurden, wie dies in den letzten Monaten öfters geschehen ist, um eine Orientierung über Tagesprobleme entgegenzunehmen. An dieser Versammlung sprachen die Reichsminister Dr. Goebbels und Speer sowie der Fliegergeneral Milch.
Nach mir zugekommenen Nachrichten hatte die Rede von Dr. Goebbels die “Generalüberprüfung von Tat und Gesinnung” zum Gegenstand. Einleitend wies der Redner darauf hin, dass es jetzt 13,6 Millionen Parteigenossen gebe und dass es sich erwiesen habe, dass die Organisation der Partei allen Belastungen gewachsen sei. Die feine Verzweigung der Partei in Zellen und Blocks schaffe den erwünschten Kontakt mit jeder Haushaltung, mit jedem Volksgenossen und garantiere dadurch ihre Volksverbundenheit.
Zu den Ereignissen des 20. Juli übergehend, wies Dr. Goebbels darauf hin, dass die bisherigen Ermittlungen und Untersuchungen leider gezeigt haben, dass die Verschwörer sich nicht, wie zuerst irrtümlich angenommen wurde, nur aus einer kleinen Gruppe militärischer Ehrgeizlinge rekrutierten. Die Verräter hätten weitverzweigte Verbindungen zu den früheren oppositionellen Kreisen, wie zu den früheren Kommunisten, zu den Sozialdemokraten, den Gewerkschaftsführern und dem ehemaligen Zentrum gehabt. Es hätte sich gezeigt, dass allzu viele Elemente bereit waren, Führer und Reich zu verraten. Zum Schutze des Volkes und seiner Zukunft habe sich die Notwendigkeit aufgedrängt, durchzugreifen und endgültig mit den Unbelehrbaren aufzuräumen. Der Volksgerichtshof, dem ohne Rücksicht die Fehlbaren überwiesen werden, biete Gewähr für eine gerechte und unbestechliche Gerichtsbarkeit.
Angesichts der grossen Zahl der durchzuführenden Verfahren und der im Sinne der Volksgerichtsbarkeit liegenden Raschheit der Urteilsfindung und Vollstreckung könne es vorkommen, dass ausnahmsweise auch ein Unschuldiger hingerichtet werde. Ein solcher Einzelfall spiele aber im Verhältnis zu den grossen auf dem Spiele stehenden Interessen, die den Tatbestand des Reichs berühren, keine Rolle. Es sei besser, dass einmal einer zuviel gehängt werde, als dass ein Verräter ausschlüpfe und seiner Strafe entgehe.
Es ist denn auch auffallend, wie gross die Zahl der Verhafteten ist. Allein auf die Aussagen von Dr. Gördeler hin, Aussagen, die jeweils mit allen Mitteln der körperlichen und seelischen Tortur erpresst wurden, sind dem Vernehmen nach über 600 Personen verhaftet worden, darunter die Botschafter von Hassel und Graf von der Schulenburg. Der Terror herrscht nicht nur in Großstädten, sondern erstreckt sich über das ganze Land, bis in die kleinsten Dörfer.
Nach Dr. Goebbels ergriff Reichsminister Dr. Speer das Wort. Er sprach “erfüllt von tiefer Sorge” und sehr ernst und eindringlich. Von der Tatsache ausgehend, dass die Feinde des Reichs die deutsche Rüstung in allen Gebieten überflügelten, komme es im gegenwärtigen Zeitpunkt nur auf zwei Sachen an. Erstens müsse innerhalb weniger Wochen das Kriegsmaterial bereitgestellt werden, das zur Ausrüstung und Bewaffnung der in Aufstellung begriffenen hundert Divisionen neuer Truppen diene. Zweitens müssten, ebenfalls in kürzester Zeit, die in Baumustern vorliegenden neuen Waffen in so grosser Menge hergestellt werden, dass sie verwendungsfähig werden und an die Truppe abgegeben werden können. Vor diesen beiden Hauptproblemen treten alle anderen Anforderungen zurück, wenn sie auch an sich noch so berechtigt und notwendig seien. Damit dieses Ziel erreicht werde, müsse die totale Mobilisierung entsprechend gelenkt werden.
Daraufhin ergriff noch General Milch das Wort. Seine Ausführungen wurden getragen von einem grossen Optimismus und absoluter, kompromissloser Siegeszuversicht. Auf die beiden frühern Referate wirkten die Darlegungen Milchs, wie von einem Teilnehmer an dieser Zusammenkunft berichtet wird, oberflächlich, ja aufreizend.
In der Presse werden die von Dr. Goebbels und Minister Speer entwickelten Grundgedanken in vielen Variationen abgehandelt. Die Tagespresse widmet sich mehrheitlich dem Thema “Kampf um Zeitgewinn”. Die Wochenzeitungen der SA und SS, “Angriff” und “Schwarzer Korps” handeln den Gedanken des unnachgiebigen Durchgreifens vom Gesichtspunkt der Vollendung der NS-Revolution ab.
Aus Kreisen des SD (Sicherheitsdienstes) verlautet, dass angenommen werde, der flüchtige SS-Obergruppenführer und General der Polizei Nebe habe neutrales Ausland erreicht. Da Nebe sehr viel Material mit sich führt, namentlich Befehle über Judenausrottungen, Geiselerschießungen und sonstige Strafaktionen herrscht in eingeweihten Kreisen einiges Unbehagen. Es wird vermutet, dass Nebe versuchen wird, dieses Material, welches für eventuelle Prozesse gegen Kriegsverbrecher Beweise schafft, den Alliierten zu überliefern.
Genehmigen Sie, Herr Bundesrat, die Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung.
Der Schweizerische Gesandte in Deutschland:
[Unterschrift]
SWISS LEGATION IN GERMANY
BERLIN NW 40, 1 September 1944
FÜRST BISMARCK-STRASSE 4
P.B. No. 37
Mr. Federal Councillor,
I have the honor to inform you that on 29 August, leading figures of the state, the party, its subdivisions and organizations, and the armament sector were once again convened, as has often happened in recent months, to receive an orientation on current issues. At this meeting, speeches were given by Reich Ministers Dr. Goebbels and Speer as well as General of Aviation Milch.
According to the information available to me, Dr. Goebbels’ speech focused on the “General Review of Deeds and Convictions.” The speaker began by noting that there were now 13.6 million party members and that it had been proven that the party’s organization had withstood all burdens. The fine branching of the party into cells and blocks had created the desired contact with every household, with every citizen, and thereby guaranteed its bond with the people.
Turning to the events of 20 July, Dr. Goebbels pointed out that previous investigations had unfortunately shown that the conspirators were not, as initially mistakenly assumed, only recruited from a small group of military careerists. The traitors had widespread connections to former opposition circles, including former Communists, Social Democrats, trade union leaders, and the former Zentrum party. It had become evident that far too many elements were ready to betray their leaders and the Reich. To protect the people and its future, the necessity had arisen to crack down and finally clear out the incorrigibles. The People’s Court, to which the guilty would be transferred without consideration, would guarantee a fair and incorruptible judiciary.
Given the large number of cases to be processed and the urgency of swift sentencing and execution in the spirit of the People’s Court, it could occur that, exceptionally, an innocent person might be executed. However, such an individual case would not matter in light of the major interests at stake concerning the Reich. It would be better for one too many to be hanged than for a single traitor to escape and avoid punishment.
‘
It is also striking how large the number of those arrested is. Based solely on the testimony of Dr. Gördeler — testimony extracted through all means of physical and psychological torture — reportedly over 600 persons have been arrested, including ambassadors von Hassel and Count von der Schulenburg. Terror reigns not only in large cities but has spread across the entire country, down to the smallest villages.
After Dr. Goebbels, Reich Minister Dr. Speer took the floor. He spoke “filled with deep concern” and very seriously and urgently. Starting from the fact that the enemies of the Reich were outstripping German armament efforts in all areas, he stated that at the present time, two things were critical: First, within a few weeks, war material needed to be made available for the equipment and arming of the hundred new divisions being raised. Second, the newly developed weapons, existing as prototypes, needed to be produced in such quantities in the shortest possible time that they became usable and could be issued to the troops. All other demands had to be subordinated to these two main issues, however justified and necessary they might otherwise be. To achieve this goal, total mobilization had to be appropriately directed.
Afterward, General Milch also spoke. His remarks were characterized by great optimism and absolute, uncompromising confidence in victory. According to a participant in the meeting, Milch’s statements, compared to the earlier reports, appeared superficial — even provocative.
In the press, the basic ideas developed by Dr. Goebbels and Minister Speer are being discussed in many variations. The daily press is primarily dedicated to the theme of “gaining time.” The weekly papers of the SA and SS, “Angriff” and “Das Schwarze Korps,” treat the idea of relentless action from the perspective of completing the Nazi revolution.
Sources from the SD (Security Service) report that it is believed that the fugitive SS-Obergruppenführer and Chief of Police Nebe has reached a neutral foreign country. Since Nebe is carrying a large amount of material with him — notably orders concerning the extermination of Jews, the shooting of hostages, and other punitive actions — there is considerable unease in informed circles. It is suspected that Nebe will attempt to deliver this material, which could serve as evidence for future trials against war criminals, to the Allies.
Please accept, Mr. Federal Councillor, the assurance of my highest consideration.
The Swiss Envoy in Germany:
[Signature]
Archivial Reference:
Schweizerisches Bundesarchiv, E2300#1000-716#129_4518866