Der Leitende Oberstaatsanwalt bei dem Landgericht
– 8 Js 52/60 –
Bonn, den 21.12.1960
Gegenwärtig: Staatsanwalt Solbach als Vernehmender
Justizangestellte Kehren als Protokollführerin
Auf Vorladung erscheint der Pförtner Wilhelm Görlich, geb. am 14.6.1913 in Saatz/Sudetenland, wohnhaft in Königsbach Krs. Pforzheim, Baumstraße 9, und erklärt, nachdem ihm der Gegenstand seiner Vernehmung bekannt ge- geben, er zur Wahrheit ermahnt und über sein Aussage- verweigerungsrecht gem. § 55 StPO belehrt worden ist:
Als Sudetendeutscher war ich tschechischer Staatsange- höriger. Beim Einmarsch der deutschen Truppen am 10. Oktober 1938 wurde ich mit vielen anderen Sudetendeutschen aufgerufen, mich zu melden. Ich meldete mich dement- sprechend bei der Stadtverwaltung und wurde einem deutschen Einsatzkommando zugeteilt, aus dem später die Staatspolizei- und Grenzpolizeidienststellen gebildet wurden. Ich wurde als Hilfspolizeibeamter angestellt und später Polizeiassistentenanwärter. 1940 wurde ich zum außerplanmäßigen Polizeiassistenten – nach bestehen- der Prüfung – in Karlsbad ernannt. Am 6.1.1941 wurde ich zur Stapo-Stelle Hohensalza in den Warthegau versetzt. 1941 wurde ich hier zum planmäßigen Polizeiassistenten ernannt. Leiter der Stapo-Leitstelle Hohensalza war Regierungsrat Hegenscheid. Folgende Angehörige der Stapo- Stelle sind mir noch bekannt: Polizeiinspektor Rudi Hermann, Geh. Sekretär Müller, Polizeisekretär Bergmann, Kriminalsekretär Mitsch. Ich selbst führte bei der Stapo-Stelle die Bekleidungskammer, die gleichzeitig auch für die Kriminalpolizei Hohensalza zuständig war. Leiter der Verwaltung der Stapo-Stelle Hohensalza war Polizeiinspektor oder Oberinspektor Siebert oder Sieberts.
Im März/April 1942 wurde mir mitgeteilt, durch wen, weiß ich heute nicht mehr, daß ich zu einem Sonderkommando abkommandiert sei, über dessen Aufgaben mir jedoch noch nichts gesagt wurde. Es wurde mir gesagt, die Abkommandierung erfolge nur für kurze Zeit. Ich weiß heute nicht mehr, von welcher Stelle der Befehl zur Abkommandierung ergangen war. Wenn ich in meinem Lebenslauf im R.- und S.-Fragebogen (Bl. 39 Sonderheft Görlich) angegeben habe, daß die Abkommandierung am 10.4.1942 durch den Inspekteur der Sicherheitspolizei und des SD in Posen erfolgt sei, so werde ich dies damals so erfahren haben. Ich habe jedenfalls nichts Falsches niedergeschrieben, insbesondere auch nicht, weil Lebenslauf und Fragebogen dem Leiter der Stapo-Stelle, Hegenscheid, der über die Abkommandierung ja informiert war, vorgelegen haben (Vgl. Bl. 31 Sonderheft Görlich). Es wurde mir seinerzeit auch nicht gesagt, welche Verwendung ich bei dem Sonderkommando finden sollte. Es hieß seinerzeit lediglich, daß sich das Sonderkommando in der Nähe von Wartbrücken befinde. Wahrscheinlich wurde mir auch die Ortschaft Kulmhof genannt.
Jedenfalls sollte ich mich in Kulmhof bei einem Kriminalkommissar Lange melden. Nach meiner Erinnerung wurde mir von der Stapo-Stelle Hohensalza ein Dienstkraftwagen zur Verfügung gestellt, mit welchem ich nach Kulmhof fuhr. Dieser Kraftwagen stand mir auch in der Folgezeit zur Verfügung. In Kulmhof angekommen, meldete ich mich auftragsgemäß bei dem Kriminalkommissar Lange. Dieser erklärte mir, in Kulmhof sei ein Sonderkommando tätig, welches sich aus Gestapo-Angehörigen und Schutzpolizeibeamten aus Litzmannstadt vom Polizeibataillon Litzmannstadt zusammensetze. Für dieses Sonderkommando sollte ich die Verwaltungsgeschäfte führen. Er übergab mir auch Listen, auf welchen sämtliche Angehörige des Sonderkommandos aufgeführt waren. Über die Aufgaben des Sonderkommandos sagte Lange mir nichts. Er wies mir ein Dienstzimmer an in dem Gebäude der Gemeindeverwaltung des Ortes Kulmhof.
Erst in der Folgezeit habe ich gesprächsweise bei Unterhaltungen mit Angehörigen des Sonderkommandos erfahren, daß dieses Sonderkommando die Aufgabe hatte, jüdische Menschen zu vernichten. Ich habe auch erfahren, daß Juden in dem sogenannten Schloß der Ortschaft Kulmhof sich entkleiden mußten und anschließend in sogenannte Gaswagen getrieben wurden, in welchen sie mit Auspuffgasen umgebracht wurden. Weiter wurde mir vom Hörensagen bekannt, daß die Leichen mit den Gaswagen zu einem mehrere Kilometer von Kulmhof entfernten Waldstück in Richtung Wartbrücken transportiert wurden, wo sie in Massengräbern verscharrt wurden oder verbrannt wurden. Über diese Vorgänge habe ich jedoch selbst nichts gesehen. Ich habe weder einer Vernichtung von Menschen in den Gaswagen noch der Beseitigung der Leichen beigewohnt. Lediglich habe ich mehrfach beobachtet, daß in Kulmhof Transporte mit Menschen ankamen. Sie kamen entweder mit der Kleinbahn an, welche von Wartbrücken nach Kulmhof führte, oder sie wurden auch mit Lastkraftwagen herantransportiert. Diese Menschen wurden dann in jedem Fall zu dem sogenannten Schloß geführt. Das Schloß selbst habe ich nie betreten. Auch bin ich niemals im Waldlager gewesen. Während meines Aufenthaltes in Kulmhof bin ich auch niemals an der Vernichtung von Menschen beteiligt gewesen.
Meine Aufgabe als Führer der Verwaltungsgeschäfte des Sonderkommandos bestand darin:
1. Die Verpflegungsmarken für das gesamte Kommando bei der Dienststelle des Reichsstatthalters in Posen zu besorgen,
2. sogenannte Sammelberechtigungsscheine, ebenfalls beim Reichsstatthalter in Posen zu besorgen,
3. sogenannte Beschäftigungsgelder beim Oberbürgermeister in Litzmannstadt – Abt. Ghettoverwaltung – für das Kommando zu empfangen und an die einzelnen Angehörigen monatlich zweimal zur Auszahlung zu bringen.
Nach meiner Erinnerung erhielten die Angehörigen des Polizeiwachkommandos täglich 12,- Reichsmark Beschäftigungsgeld. Die Polizeimeister erhielten 14,- oder 15,- Reichsmark täglich, die Gestapoangehörigen erhielten Dienstgradmäßig die gleichen Beträge. Der Kommandoführer erhielt 16,- oder 17,- Reichsmark. Diesen Betrag erhielt auch der Führer des Polizeiwachkommandos. Welche Mengen Spirituosen auf jeden einzelnen Angehörigen des Kommandos entfielen, kann ich heute nicht mehr sagen.
Außer diesen angegebenen Tätigkeiten habe ich während meiner Zugehörigkeit zum SS-Sonderkommando Kulmhof keine weiteren Tätigkeiten ausgeübt.
Wenn mir vorgehalten wird, daß ich auch die Gelder, welche den Juden in Kulmhof abgenommen worden waren, nach Litzmannstadt bringen und dem Leiter der Ghettoverwaltung Hans Biebow aushändigen mußte, so trifft das zu. Ich möchte aber einräumen, daß Lange mir für diese Tätigkeit keine besondere Anordnung gegeben hatte. Die Gelder wurden mir von dem SS-Hauptsturmführer Fritz Ismer und Polizeiwachtmeister Max Sommer übergeben, weil es offenbar vorher schon so gehandhabt worden war; da ich die Rechnungsgeschäfte machte, hatte ich dagegen auch keine Einwendungen. Ebenfalls wurden mir die den Juden abgenommenen Schmuck- und Wertsachen von Ismer und Sommer zwecks Weiterleitung an die Ghettoverwaltung Litzmannstadt übergeben. Diese Schmuck- und Wertsachen wurden von mir listenmäßig erfaßt. Diese Listen gingen ebenfalls an die Ghettoverwaltung. Auch bezüglich dieser Angelegenheiten bestand keine besondere Anweisung von Lange. Ich machte diese Tätigkeit, weil ich offenbar als Rechnungsführer dafür zuständig war. Es ist nicht gesagt, daß ich in jedem Falle die Sachen zur Ghettoverwaltung abführte. Es kam auch vor, daß Ismer und Sommer die Wertsachen nach Litzmannstadt brachten. Weiter kam es vor, daß Wert- und Schmucksachen mit einem Lastkraftwagen nach Litzmannstadt transportiert wurden, wenn größere Mengen angefallen waren, die ich in meinem PKW nicht unterbringen konnte. Die ausschließliche Aufgabe von Ismer und Sommer war es, die den Juden abgenommenen Gelder und Wertsachen zu übernehmen und zu sortieren. Zu diesem Zweck hatten sie einen Raum im Gebäude der Gemeindeverwaltung Kulmhof zur Verfügung.
Ich möchte noch erwähnen, daß meine Tätigkeit erforderte, daß ich mich sehr wenig in Kulmhof aufhielt. Die meiste Zeit befand ich mich auf Dienstreisen nach Litzmannstadt und Posen, so daß ich von den Vorgängen in Kulmhof selbst sehr wenig erfahren habe. Erwähnen möchte ich auch noch, daß eine listenmäßige Erfassung der Schmuck- und Wertsachen nicht vorgeschrieben war. Ich stellte die Listen aus eigenem Interesse zusammen, damit später niemand hätte sagen können, daß ich mir irgendwelche Sachen angeeignet hätte.
Schließlich möchte ich noch erwähnen, daß ich im Mai oder Juni 1942 in der Nähe von Wartbrücken einen Unfall hatte, bei welchem ich mir eine schwere Gehirnerschütterung sowie eine Meniskusverletzung zuzog. Ich lag dann ca. 4 Wochen im Kreiskrankenhaus Wartbrücken und erhielt anschließend vier Wochen Genesungsurlaub. Im August oder September 1942 übernahm ich wieder meine Tätigkeit in Kulmhof. Zwischenzeitlich hatte die Geschäfte meines Wissens der vorerwähnte Sommer geführt.
Folgende Personen gehörten seinerzeit dem Gestapo- oder SS-Sonderkommando in Kulmhof an:
1. Kriminalkommissar und SS-Hauptsturmführer Lange, Vorname nicht bekannt; Heimatort nicht bekannt. Ich kann auch nicht sagen, wo Lange sich heute aufhält. Nach meiner Erinnerung war er bis Ende April oder Anfang Mai 1942 Kommandant des Vernichtungslagers Kulmhof. Wann er nach Kulmhof gekommen ist, kann ich nicht sagen. Er war für die gesamte Vernichtung von jüdischen Menschen in Kulmhof bis zu diesem Zeitpunkt verantwortlich.
2. Kriminalkommissar und SS-Hauptsturmführer Hans Bothmann. Er kam von der Gestapo-Leitstelle Posen und war der Nachfolger des vorerwähnten Lange.
3. Kriminalsekretär und SS-Untersturmführer Albert Plate. Er kam von der Stapo-Stelle Litzmannstadt und wohnte mit seiner Familie ebenfalls in Litzmannstadt. Nach seinem Dialekt stammte er aus Norddeutschland. Wo er sich heute aufhält, weiß ich nicht. Auf einem mir vorgelegten Lichtbildbogen (Lichtbildbogen des Albert Plate, geb. am 31.12.1903 in Rüstringen, im Sonderheft Plate) habe ich Plate einwandfrei wiedererkannt. Plate war Stellvertreter von Lange und Bothmann. Ich muß mich berichtigen, denn ich kann nicht sagen, ob er Stellvertreter gewesen ist. Ich weiß nicht, welche Funktionen er in dem Vernichtungslager ausgeübt hat. Ich weiß lediglich, daß er dem Sonderkommando angehörte. In welcher Weise er sich an der Vernichtung von jüdischen Menschen beteiligt hat, habe ich weder gesehen noch erfahren. Sonst kann ich über Plate nichts sagen.
4. SS-Unterscharführer oder Scharführer Walter Burmeister, Heimatort nicht bekannt. Ich kann auch nicht sagen, wo er sich heute aufhält. Ich weiß auch nicht, von welcher Dienststelle er nach Kulmhof kam. Auf einem mir vorgelegten Lichtbildbogen (Lichtbilder des Walter Burmeister, geb. am 2.5.1906, im Sonderheft Walter Burmeister) habe ich diesen einwandfrei wiedererkannt. Er war Fahrer des Lagerkommandanten Bothmann und sorgte auch für dessen Verpflegung. In welcher Weise er an der Judenvernichtung beteiligt war, kann ich nicht sagen.
5. SS-Scharführer oder Oberscharführer Erwin Bürstinger aus Österreich. Meines Wissens kam er von der Stapo-Leitstelle Posen. Auf dem mir vorgelegten Lichtbildbogen des Erwin Bürstinger, geb. am 26.2.1908 (siehe Sonderheft Bürstinger) habe ich diesen einwandfrei wiedererkannt. Bürstinger war meines Wissens in Kulmhof Schirrmeister für die zum Sonderkommando gehörenden Kraftfahrzeuge. Dazu gehörten zwei Gaswagen, zwei bis drei Personenkraftwagen und einige Lastkraftwagen. Bürstinger unterstand auch die Versorgung dieser Kraftwagen mit Benzin. Woher er dies erhielt, weiß ich nicht. Ob er noch in anderer Weise an der Vernichtung von jüdischen Menschen in Kulmhof beteiligt gewesen ist, ist mir nicht bekannt.
6. SS-Oberscharführer Hiecke-Richter, Vorname nicht bekannt; Heimatort nicht bekannt; ich weiß auch nicht, wo er sich heute aufhält. Er war von der Stapo-Leitstelle Posen. Er sprach meines Erachtens den Berliner Dialekt. Welche Funktionen er in dem SS-Sonderkommando Kulmhof ausgeübt hat, weiß ich nicht. Auf den mir vorgelegten Lichtbildern (Lichtbildbogen des Herbert Hiecke-Richter, geb. am 2.8.1911, aus dem Sonderheft Hiecke-Richter) habe ich ihn einwandfrei wiedererkannt. Weitere Angaben kann ich über ihn nicht machen.
7. SS-Scharführer oder Oberscharführer Laabs, Vorname nicht bekannt; Heimatort nicht bekannt, von welcher Dienststelle er kam, weiß ich ebenfalls nicht, auch kann ich nicht sagen, wo er sich heute aufhält. Soviel ich weiß, war Laabs Fahrer eines Gaswagens. Sonst kann ich über Laabs nichts sagen.
8. SS-Hauptscharführer Fritz Ismer aus Berlin. Er kam von der Umwandererzentrale Litzmannstadt zum SS-Sonderkommando Kulmhof. Als ich nach Kulmhof kam, war er schon dort. Wie ich schon angegeben habe, hatte Ismer im Vernichtungslager die Aufgabe, die den Juden abgenommenen Schmuck- und Wertsachen zu übernehmen und zu sortieren. Ich kann nicht sagen, ob er noch in anderer Weise an der Vernichtung der Juden beteiligt gewesen ist.
9. Ein SS-Angehöriger namens Hering. Vorname und Dienstgrad nicht bekannt. Ich weiß auch nicht, von welcher Dienststelle er kam, ebenfalls ist mir nicht bekannt, wo er beheimatet war bzw. wo er heute aufhältig ist. Welche Tätigkeit er in dem Vernichtungslager ausübte, weiß ich ebenfalls nicht.
Weitere Angehörige des SS-Sonderkommandos sind mir nicht mehr erinnerlich. Ich glaube auch nicht, daß mehr Gestapo- oder SS-Leute, wie sie vorstehend aufgeführt sind, zum Sonderkommando gehörten.
Von den Angehörigen des Polizeiwachkommandos Kulmhof sind mir noch folgende Personen in Erinnerung:
1. Polizeioberleutnant Hüfing, Heimatort nicht bekannt, jetziger Aufenthalt nicht bekannt. Weiteres kann ich über ihn nicht sagen. Ich weiß auch nicht, ob er direkte an der Vernichtung von Juden beteiligt gewesen ist.
2. Polizeimeister Alois Häfel aus Karlsruhe. Welche Funktionen er in Kulmhof hatte, weiß ich nicht. Wenn ich an dem Schloß vorbeikam, habe ich gesehen, daß er dort auf dem Hof herumlief. Inwieweit er an der Judenvernichtung beteiligt war, weiß ich nicht. Sonst kann ich über ihn nichts sagen.
3. Polizeimeister Willi Lenz, Heimatort nicht bekannt, jetziger Aufenthalt nicht bekannt. Von welcher Schutzpolizeistelle er kam, weiß ich ebenfalls nicht. Über ihn weiß ich lediglich zu berichten, daß er immer mit Angehörigen des Polizeiwachkommandos zum Waldlager hinausfuhr. Welche Tätigkeit er in dem Waldlager ausübte, habe ich weder gesehen noch erfahren. Sonst kann ich über ihn nichts sagen. Auf Befragen erkläre ich, daß ich nie etwas darüber gehört habe, daß er im Waldlager Juden durch Genickschuß getötet hat. Ob er den Spitznamen “Doktor” hatte, weiß ich nicht. Mir wurden Lichtbilder eines Willi Lenz, geb. am 9.1.1911 (siehe Lichtbildbogen im Sonderheft Lenz) vorgelegt; Bei diesem handelt es sich nicht um den Beschuldigten Lenz.
4. Polizeioberwachtmeister oder Hauptwachtmeister Hans oder Johannes Runge, Heimatort nicht bekannt, jetziger Aufenthalt nicht bekannt. Meines Wissens kam er von der Ordnungspolizei in Posen. Bezüglich seiner Tätigkeit in Kulmhof weiß ich lediglich zu berichten, daß er immer gemeinsam mit Lenz zum Waldlager hinausfuhr. Welche Tätigkeit er dort ausübte, habe ich nie erfahren. Mir ist auch nicht bekannt geworden, in welcher Weise er an der Judenvernichtung beteiligt gewesen ist. Mir wurden heute Lichtbilder eines Johannes Runge, geb. am 16.9.1903 sowie eines Johannes Runge, geb. am 17.4.1907 (siehe Sonderheft Runge) vorgelegt, auf welchen ich den Beschuldigten Runge jedoch nicht wiedererkannt habe. Weiter wurde mir eine Lichtbildmappe (Beweismaterialheft XIII) vorgelegt, in welcher ich auf einem Lichtbild (Lichtbild Nr. 34) den Beschuldigten Runge wiedererkannt habe. Weitere Angaben kann ich zu Runge nicht machen.
5. Polizeiwachtmeister oder Oberwachtmeister Kretschmer, Vorname nicht bekannt, beheimatet war er meines Wissens in Sachsen. Über seine Funktionen im Vernichtungslager Kulmhof weiß ich nichts zu sagen. Auf den mir vorgelegten Lichtbildern des Erich Kretschmer, geb. am 29.5.1907 (siehe Sonderheft Kretschmer), habe ich den Beschuldigten nicht wiedererkannt. Nachdem mir die Lichtbildmappe (Beweismaterialheft XIII) vorgelegt wurde, möchte ich sagen, daß es sich bei der auf dem Lichtbild Nr. 35 abgebildeten Person um den Beschuldigten handelt.
6. Polizeimeister Heider, Vorname nicht bekannt, Er stammte aus Bayern. Wo er sich heute aufhält, weiß ich nicht. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, welche Tätigkeit er in Kulmhof ausübte. Ich weiß auch nicht, inwieweit er an der Vernichtung von Juden beteiligt war.
7. Polizeiwachtmeister Max Sommer aus Sachsen. Wo er sich jetzt aufhält, weiß ich nicht. Wie ich schon angegeben habe, hatte er gemeinsam mit Ismer im Vernichtungslager Kulmhof die Aufgabe, die angefallenen Schmuck- und Wertsachen zu übernehmen und zu sortieren. Ob er noch in anderer Weise an der Vernichtung von jüdischen Menschen beteiligt gewesen ist, weiß ich nicht.
8. Polizeioberwachtmeister oder Hauptwachtmeister Erwin Schmidt aus dem Sudetengau. Jetziger Aufenthalt nicht bekannt. In Kulmhof war er der Fourier des gesamten Kommandos. Eine andere Tätigkeit hat er in Kulmhof nicht ausgeübt.
9. Polizeihauptwachtmeister Fiedler aus dem Sudetengau, Vorname nicht bekannt. Welche Funktionen er in Kulmhof ausübte, weiß ich nicht. Sonst kann ich über ihn nichts sagen.
An weitere Angehörige des Polizeiwachkommandos kann ich mich nicht mehr erinnern.
Nachdem mir weitere Namen vorgehalten wurden, erinnere ich mich noch an folgende Personen:
Polizeiwachtmeister Baumgartner – Fourier von Erwin Schmidt,
Fritz Hagen – Koch des Sonderkommandos,
Sonst kann ich über diese beiden Personen nichts sagen.
Die weiter mir vorgehaltenen Personen bzw. Namen von Angehörigen des Sonderkommandos sagen mir heute nichts mehr.
Mir wurden nachträglich noch Lichtbilder eines Oskar Hering, geb. am 23.10.1908, (siehe Sonderheft Hering) vorgelegt, doch kann ich nicht sagen, ob es sich hierbei um den Beschuldigten Hering handelt.
Den Beschuldigten Fritz Ismer habe ich auf einem mir vorgelegten Lichtbild wiedererkannt (siehe Sonderheft Ismer – Lichtbild des Fritz Ismer, geb. am 1.9.1908).
Den Beschuldigten Bürstinger habe ich außerdem auf einem weiteren Lichtbild (Lichtbildband Beweismittelheft XIII Bild Nr. 32) wiedererkannt.
Auf Befragen erkläre ich noch, daß das Polizeiwachkommando seinerzeit aus ca. 50 bis 60 Polizeibeamten bestand, die meines Wissens vom Polizeibataillon Litzmannstadt kamen.
Im Februar oder März 1943 wurde das Vernichtungslager Kulmhof aufgelöst. Ob auch eine Abschlußfeier in einer Gaststätte in Wartbrücken unter Teilnahme des Gauleiters Greiser stattgefunden hat, weiß ich nicht. Ich habe jedenfalls an einer derartigen Feier nicht teilgenommen. Wie die Auflösung des Vernichtungslagers bzw. die Beseitigung von Spuren der Menschenvernichtung vor sich gegangen ist, ist mir nicht bekannt, da ich damit nichts zu tun hatte. Ich weiß nur noch, daß Bothmann eines Tages sagte, das Vernichtungslager würde aufgelöst. Das gesamte Kommando einschließlich Schutzpolizisten erhielt mehrere Wochen Urlaub. Es hieß, daß wir Bescheid erhalten würden, sobald wir einen anderen Einsatz bekämen. Während meines Urlaubs habe ich im April meine erste Ehefrau geheiratet. In diesem Monat erhielt ich auch die Nachricht, daß ich mich in Posen bei einer SS-Dienststelle zu melden hätte. Um welche Dienststelle es sich handelte, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls traf ich dort wieder mit den anderen Angehörigen des Sonderkommandos Kulmhof zusammen. Von einem Arzt wurden wir dort auf SS-Tauglichkeit bzw. Wehrdiensttauglichkeit untersucht. Ob Bothmann auch anwesend war, weiß ich nicht mehr. Nach der Untersuchung konnten wir alle unseren Urlaub fortsetzen. Am 20.5.1943 erhielt ich einen Gestellungsbefehl für die SS-Division “Prinz Eugen”. Es hieß darin, daß ich mich in einer Kaserne in Wien zu melden hätte. Wo das war, kann ich heute nicht mehr sagen. Jedenfalls traf ich dort abermals mit sämtlichen vormaligen Angehörigen des Sonderkommandos Kulmhof zusammen. Auch Bothmann war anwesend. Wir wurden dort eingekleidet und fuhren uns anschließend unter Führung des Bothmann zum Stab der SS-Division “Prinz Eugen”, der in der Nähe von Belgrad lag, in Marsch. In dieser Division wurden wir eine Feldgendarmerie-Einheit unter Führung des Bothmann.
Auf Befragen erkläre ich, daß wir uns seinerzeit nach Auflösung des Vernichtungslagers Kulmhof nicht in Berlin beim Reichssicherheitshauptamt melden mußten. Ich bin jedenfalls seinerzeit nicht in Berlin gewesen.
Ende 1943 oder Anfang 1944 war Bothmann eines Tages nicht mehr bei der SS-Division “Prinz Eugen”. Auch Bürstinger und Burmeister waren nicht mehr anwesend. Kurz darauf erfuhr ich dann, daß diese Personen wieder nach Kulmhof abkommandiert waren. Woher der Befehl dazu gekommen war, weiß ich nicht. Im April 1944 erhielt ich eines Tages vom Divisionsstab der SS-Division “Prinz Eugen” den Bescheid, daß zur Polizei zurückkommandiert worden sei und mich nach Posen in Marsch zu setzen hätte, wo ich mich bei der Stapo-Leitstelle melden sollte. Woher der Befehl dazu gekommen war, weiß ich nicht. In Posen wurde mir von einem SS-Führer der Stapo-Leitstelle gesagt, daß ich mich wieder nach Kulmhof begeben und bei dem SS-Hauptsturmführer Bothmann melden sollte. In Kulmhof angekommen, setzte mich Bothmann wieder für die gleiche Tätigkeit ein, die ich bereits 1942/43 in dem Vernichtungslager ausgeübt hatte, also Führung der Verwaltungsgeschäfte. Es war wieder ein SS-Sonderkommando, ein Polizeiwachkommando anwesend, Gleichermaßen wie 1942/43 wurden abermals jüdische Menschen in Gaswagen umgebracht, die entweder mit der Kleinbahn oder mit Lastkraftwagen nach Kulmhof transportiert wurden. Die Transporte habe ich öfters gesehen, jedoch bin ich bei den Vergasungen der Menschen bzw. bei der Beseitigung der Leichen nie zugegen gewesen. Von den SS-Leuten waren in Kulmhof anwesend: Bothmann, Bürstinger, Burmeister. Wer sonst noch von den SS-Angehörigen wieder eingesetzt war, weiß ich nicht. Auch ist mir nicht mehr erinnerlich, wer von den Polizeibeamten wieder in Kulmhof tätig war. Daß Juden auch im Jahre 1944 vergast wurden, weiß ich nur vom Hörensagen.
Als im Januar 1945 die russischen Truppen näher rückten, löste Bothmann das Kommando auf. Wir sollten uns in Wartbrücken sammeln, jedoch ist es dazu nicht gekommen, da alle anderen Angehörigen des Kommandos sich fluchtartig zurückzogen. Ich meldete mich dann bei der Stapoleitstelle in Posen. Dort habe ich keinen Angehörigen des Sonderkommandos wiedergetroffen. Ich wurde dann zur Verteidigung Posens eingesetzt und am 22.2.1945 von russischen Truppen gefangengenommen. Bis zum 20.4.1950 befand ich mich in russischer Gefangenschaft. Dann wurde ich aus der Gefangenschaft entlassen.
Auf Befragen erkläre ich, daß der SS-Hauptsturmführer Lange mir im April 1942, als ich meine Tätigkeit in Kulmhof aufnahm, erklärte, daß ich über alles, was ich zu sehen und zu hören bekäme, unbedingt zu schweigen hätte. Irgendeine Bestrafung für den Bruch des Schweigens drohte er mir nicht an.
Weiter erkläre ich auf Befragen, daß mir nicht bekannt ist, wer über Bothmann und Lange hinaus für das Vernichtungslager Kulmhof verantwortlich gewesen ist. Ich weiß nicht, ob der Höhere SS- und Polizeiführer im Warthegau Dirlewanger die Durchführung der Judenvernichtung in Kulmhof veranlaßt hat. Ebenfalls ist mir nicht bekannt, ob der Höhere SS- und Polizeiführer das Vernichtungslager inspiziert hat. Ich weiß auch nicht, daß andere höhere Führer das Vernichtungslager in den Jahren 1942 – 1944 inspiziert haben.
Ich kann nicht sagen, wieviel jüdische Menschen in den ganzen Jahren in dem Vernichtungslager Kulmhof umgebracht worden sind.
[….]