Vernehmung des Beschuldigten
Landes-Gericht für Strafsachen Wien
am 12.12.1962, Beginn 9 Uhr
Gegenwärtig:
Richter: LGR. Dr. Johann Tinhof
Schriftführer: VB. Christine Mayer
Strafsache gegen:
Der Beschuldigte wird ermahnt, die vorzulegenden Fragen bestimmt, deutlich und wahrheitsgemäß zu beantworten.
Er gibt über seine persönlichen Verhältnisse an:
Vor- und Zuname:
(bei Frauen auch Mädchenname)
Josef Peham
Ruf- oder Hausname:
Familienstand:
verh.,
Namen der Eltern:
(nur Mutter Elisabeth Peham, (ae. Vater Jakob Buchegger))
Vorname des Gatten:
Rosalia, geb. Ryll
Tag, Monat, Jahr der Geburt:
1.3.1918
Ort, Bezirk, Land der Geburt:
Schönau-Bad Schallerbach, Bez. Grieskirchen O.Ö.
Staatszugehörigkeit:
Österreich
Glaubensbekenntnis:
rk.
Beruf und Stellung im Beruf:
Pol.Ray.Insp.
Letzter Wohn-(Aufenthalts-)ort, Bezirk, (Straße, Hausnummer):
Wien, 2., Engerthstr. 245/8/2/7
Schulbildung:
8 Volksschule
Vermögen und Einkommen:
keines, ca. S 2450,- monat. netto
Pflicht zu sorgen für:
Gattin
Vorstrafen:
keine
Gemäß § 38/3 StPO. wegen Verd. d. Verbrechens des Mordes nach §§ 134, 135/5 StG. vernommen, gebe ich an:
Die Vorkehrungen, die in dieser Strafsache angeblich gegen mich vorliegen, wurden mir vorgehalten. Ich bekenne mich der mir zur Last gelegten Straftat nicht schuldig. Es ist wohl richtig, dass ich einem Sonderkommando der Schutzpolizei angehörte, welches im Vernichtungslager Kulmhof-Polen eingesetzt war. Bei diesem Einsatz habe ich die mir aufgetragenen Befehle nur so weit ausgeführt, dass ich mich heute einer strafbaren Handlung nicht schuldig fühlen muss. Ich habe meines Erachtens keine Handlung gesetzt, derentwegen ich nunmehr beschuldigt werden könnte, an der Vernichtung von Menschen im Kulmhof teilgenommen zu haben.
Ich wurde am 1.3.1918 in Schönau, Bez. Grieskirchen von Elisabeth Pelham geboren. Mein Vater Jakob Buchegger war Hilfsarbeiter. Ich bin mit ihm nur wenig in Berührung gekommen. Aufgezogen wurde ich durch meine Großeltern Josef und Elisabeth Pelham in Schönau. Meine Mutter war in Wien als Haushaltshilfe tätig. Mit meiner Mutter lebte ich niemals im gemeinsamen Haushalt. Sie heiratete später. Dieser Ehe entstammt ein Sohn; es ist dies mein einziger Stiefbruder. Andere Geschwister besitze ich nicht.
In Schönau besuchte ich 8 Klassen Volksschule; nach meinem Schulaustritt im Jahre 1932 war ich zunächst als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter tätig; später war ich ebenfalls als Hilfsarbeiter in einem Schotterwerk und danach wieder in der Landwirtschaft tätig. Beruf erlernte ich zunächst keinen. Im Herbst 1938 wurde ich zum Reichsarbeitsdienst eingezogen. Unser Lager befand sich in Kammer-Schörfling am Attersee. Im Frühjahr 1939 wurde ich aus dem Arbeitsdienst entlassen. Nach meiner Entlassung war ich wieder als landwirtschaftlicher Arbeiter tätig.
Am 1. Juni 1940 wurde ich zur Schutzpolizei eingezogen, nachdem ich mich freiwillig gemeldet hatte. Ich hatte die Absicht Polizeibeamter zu werden. Der Standort der Polizeieinheit zu der ich eingezogen wurde, war an sich Wien. Ich wurde jedoch sofort zu dem Polizeiausbildungsbataillon nach Pohrlitz-Niederdonau eingezogen. Meiner Erinnerung nach war ich bei der 3.Kompani. Nach ca.3-monatiger Grundausbildung wurde ich mit meiner Kompanie zu einer Radfahrerersatzschwadron der SS-Polizeidivision nach Katschar in Oberschlesien versetzt. Bei dieser Division dürfte ich glaublich nicht ganz 1 Jahr gewesen sein. Glaublich im März 1941 wurde ich mit meiner damaligen Einheit zu einem Polizeiausbildungsbataillon nach Litzmannstadt versetzt. Welcher Komp. ich damals zugeteilt war, weiss ich heute nicht mehr genau. Mein Kompaniechef war Polizeihauptmann N. Dietrich. In Litzmannstadt wurde unsere Ausbildung weiterbetrieben; neben der Ausbildung wurden wir aber auch bereits zu örtlichen Polizeidiensten, so vor allem für Streifen und Absperrdiensten herangezogen. Wir wurden hierzu einzelnen Polizeirevieren zugeteilt.
Ende 1941 oder Anfang 1942 den näheren Zeitpunkt vermag ich heute nicht mehr zusagen wurde ich mit anderen Angehörigen meiner Komp. nach Kulmhof Polen abkommandiert. In Kulmhof wurden wir einem Polizeikommando zugeteilt. Wir hatten Absperrdienst und Wachdienst im und am Schloss sowie im Waldlager zu leisten.
Am 1. April 1943 heiratete ich meine nunmehrige Frau Rosalia. Sie war eine Volksdeutsche und wohnte in einer Ortschaft welche in der Nähe von Kulmhof lag. Schon vorher nämlich am 28.2.1943 hatte meine Frau unsere Tochter Hertha geboren. Da ich mich im Zeitpunkt meiner Verehelichung noch bei dem Sonderkommando in Kulmhof befand nahm ich an dass etwa um diese Zeit das Kommando von Kulmhof abgezogen wurde. Es ist möglich dass ich mich zum Zeitpunkt der Verehelichung bereits im Urlaub befand und das Sonderkommando einige Zeit vorher aus Kulmhof abgezogen wurde. Die Abkommandierung dürfte aber frühestens anfangs Mitte März 1943 erfolgt sein. Jedenfalls war ich bis zu diesem Zeitpunkt bei dem Sonderkommando der Schutzpolizei in Kulmhof.
Mit dem Pol.Sonderkommando wie den Angehörigen des ebenfalls in Kulmhof eingesetzten SS-Sonderkommando wurde ich im Anschluss zu der SS-Waffendivision “Prinz Eugen” nach Jugoslawien versetzt. Ich war inzwischen zum Polizeirottwachtmeister befördert worden.
Bei der SS-Division Prinz Eugen wurden wir als Polizeidivision eingesetzt, wobei wir auch zur Partisanenbekämpfung herangezogen wurden. In Jugoslawien trugen wir die Uniform der Waffen-SS, ebenso erhielten wir die Dienstgradbezeichnungen der Waffen-SS.
Am 14.10.1944 geriet ich bei Negotin/Jugoslawien in russische Kriegsgefangenschaft. Ich wurde in der Folge nach Russland abtransportiert und befand mich zuletzt in dem Kriegsgefangenenlager in Kasan. Bereits von den Russen wurde ich wegen meiner Zugehörigkeit zu dem Sonderkommando in Kulmhof vernommen und wurde deswegen 11 Monate lang in Einzelhaft gehalten.
Im März oder April 1948 wurde ich schließlich von den Russen an die Engländer ausgeliefert. Der Grund dieser Auslieferung war, weil ich 1944 bei einem Transport eines englischen Abwehroffiziers, es soll sich hierbei um den Neffen Churchills gehandelt haben, in Jugoslawien dabei waren. Es wurden damals übrigens neben diesem Abwehroffizier noch mehrere andere in Jugoslawien gefangenommene Engländer nach Belgrad transportiert.
Nach der Übergab an die Engländer an der Zonengrenze in Berlin wurde ich in Hamburg-Altona von den Engländern verhört und versch. Personen gegenübergestellt. Es stellte sich heraus dass ich mit der Angelegenheit die die Engländer untersuchten nichts zu tun hatte. Ich wurde hierauf im Juni oder Juli 1948 ordnungsgemäß aus der Kriegsgefangenschaft entlassen. Ich begab mich zunächst zu einer Tante nach Wels, meine Grosseltern waren ja inzwischen verstorben. Ich hielt mich noch in Wels auf, als ich um Aufnahme bei der Gend. bzw. bei der Polizei ansuchte. Durch die Bundespolizeidirektion Wien wurde meinem Ansuchen Folge gegeben; glaublich Ende Juli anfangs August 1948 zog ich nach WIen. Ich hatte mich mit dem richtigen Namen und richtigen Personaldaten in Wien polizeilich gemeldet. Am 30.10.1948 wurde ich als Polizeianwärter zur Ausbildung eingezogen; nach der Ausbildung verrichtete ich an verschiedenen Polizeikommissariaten in Wien Dienst und befinde mich seit etwa Ende 19455 bei der Alarmabteilung. Meine unmittelbar vorgesetzte Dienststelle ist das Generalinspektorat der SW. Mein dzt. Dienstrang in Polizei-Ray.Insp.
Seit September 1948 wohne ich mit meiner Frau beisammen, der es geglückt war, von Polen nach Westdeutschland zu flüchten und von dort nach Wien zu mir zu kommen.
Meine Frau ist zur Zeit als Vorarbeiterin berufstätig.: meine Tochter ist bereits selbst erhaltungsfähig. Vermögen besitze ich keines.
Mitglied der NSDAP oder einer ihrer Organisationen war ich nicht.
Zur Sache:
Wie ich bereits angab, weiss ich heute nicht mehr genau, welcher Kompanie des Bataillons der Schutzpolizei in Litzmannstadt ich angehörte. Chef meiner Kompanie war zuerst Hauptmann Dietrich und später H. Maas. Die Namen der einzelnen Angehörigen meiner Kompanie weiß ich heute auch nicht mehr. Ich glaube mich zu erinnern dass Johann Heilbrunner, Theo Malzmüller, Michalsky bei meiner Kompanie waren. Sicher weiß ich das heute aber nicht mehr. Wer das Bataillon in Litzmannstadt führte, weiß ich heute nicht mehr. Zuletzt waren wir in einem Barackenlager an der “Böhmischen Linie” in Litzmannstadt kaserniert.
In Litzmannstadt wurde die Infanterieausbildung fortgesetzt. Wir wurden aber auch schon zu Polizeidiensten herangezogen, so vor allem zu Streifendienst, Bewachung des Ghettos in Litzmannstadt u.a.
Glaublich Ende 1941 oder anfangs 1942 wurde ich einem Sonderkommando zugeteilt, das in Litzmannstadt aus Angehörigen des Bataillons der Schutzpolizei zusammengestellt wurde. Ich meldete mich zu diesem Sonderkommando nicht freiwillig sondern wurde hierzu befohlen. Nach welchen Gesichtspunkten die Abkommandierung erfolgte, weiss ich nicht. Ich weiss heute nicht mehr sicher, ob wir bereits in Litzmannstadt über den Einsatz des Sonderkommandos unterrichtet wurden. Ich kann mich nicht mehr erinnern, von wem das Sonderkommando von Litzmannstadt nach Kulmhof geführt wurde und mit welchen Transportmitteln wir dort hin gebracht wurden. In Litzmannstadt hatte ich von dem in Kulmhof errichteten Vernichtungslager noch nicht gehört.
Kulmhof war eine kleine polnische Ortschaft gelegen an dem dort vorbeifließenden Fluss “Ner”. Bei meinem Eintreffen in diesem Ort war bereits ein Wachkommando der Schutzpolizei vorhanden ebenso ein SS-Sonderkommando. Ich nehme an dass wir zur Verstärkung des Wachkommandos gekommen sind. Ich konnte nicht feststellen dass auf Grund unseres Eintreffens eine größere Anzahl von Angehörigen der Schutzpolizei von Kulmhof abgezogen worden wären.
Meiner Erinnerung nach wurde das Wachkommando von Pol.Oberleutnant Hüfing geführt.
Das SS-Sonderkommando setzte sich m.W. aus Angeh. des SD zusammen und wurde von SS-Hauptsturmführer Bothmann geführt. Er war auch Kommandant des Lagers Kulmhof. Sein Stellvertreter war SS-Untersturmführer Platte [Plate].
Kurz nach unserem Eintreffen in Kulmhof hielt uns Bothmann eine Ansprache und erklärte uns den Zweck unseres Einsatzes in Kulmhof und verpflichtete uns zu strengstem Stillschweigen. Schon bei unserem Eintreffen in Kulmhof er fuhr ich von den schon länger dort anwesenden dass im Schloss Juden vergast und deren Leichen in einem nahe gelegenen Waldstück verscharrt werden. Durch Bothmann erfuhr ich es nun offiziell. Ich kann mich nicht erinnern, ob und welche Strafsanktionen von Bothmann für die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht angedroht wurden. Ich weiss aber, dass die Vorgänge in Kulmhof als “Geheime-Reichssache” bezeichnet wurden.
Die Angehörigen des Wachkommandos waren in Privathäusern in Kulmhof untergebracht. Das Wachkommando war in Gruppen aufgeteilt. Die Stärke des Polizei-Wachkommandos schätze ich auf 50-60 Mann. Das Wachkommando wurde eingesetzt zur Bewachung des Waldlagers, der Kirche, welches als Magazin für die den Juden abgenommen Kleider und Wertgegenstände diente, der Mühle und insbesondere zur Bewachung der jüdischen Arbeitskommandos.
In Kulmhof war ich bereits Unterwachtmeister (Gefreiter).
Ich glaube mich zu erinnern dass wir nach unserem Eintreffen in Kulmhof von Bothmann durch das Schloss geführt wurden. Die Örtlichkeiten im Schloss kenne ich aber auch durch meine Dienstleistung im und am Schloss. Wann ich erstmals zum Wachdienst im oder am Schloss eingeteilt wurde, weiss ich heute nicht mehr.
Das Schloss selbst war ein altes, baufälliges glaublich zweistöckiges Steingebäude. Vorne, nämlich zur Landstrasse hin, war es von einem Bretterzaun umgeben. Der rückwärtige, zum Fluss abfallende Teil dürfte von einem Drahtzaun umgeben sein. Ausser dem Hauptgebäude befanden sich in der Umzäunung noch ein oder zwei Schuppen.
Als Wachtposten ausserhalb des Schlosses also am Schloss, hatte man die Aufgabe niemand Unbefugten in das Schloss hineinzulassen; vor allem aber eine Flucht oder einen Ausbruch der im Schloss untergebrachten jüdischen Arbeitskommandos zu verhindern.
Als Posten am Schloss wurde ich sehr häufig und zu jeder Tageszeit herangezogen. Bewaffnet waren wir bei diesem Posten meiner Erinnerung nach mit einer Pistole. Wir hatten den Befehl auf Juden, wenn sie flüchten wollten, zu schießen. Ich selbst wurde niemals vor die Entscheidung gestellt, ob ich diesen Befehl ausführen soll oder nicht, weil während meiner Wachzeit am Schloss niemand flüchtete.
Bald nach unserem Eintreffen in Kulmhof konnte ich selbst wahrnehmen, dass mittels LKWs Menschen in das Schloss transportiert wurden. Meinen Wahrnehmungen nach handelte es sich hierbei um Juden, wobei sowohl Frauen als auch Männer in jegliche. Altersstufen, aber auch Kinder antransportiert worden waren.
Die LKW wurden von Angehörigen des SS-Sonderkommandos und zivilen Fahrern gelenkt. Die LKW waren meistens sehr stark beladen. Mitunter kamen täglich mehrere Transport an. ZU meiner Zeit wurden die Juden immer per LKW ins Schloss gebracht. Auf jedem LKW befand sich jeweils ein Wachposten von unserem Wachkommando, der mit einem Karabiner oder einer Pistole bewaffnet war.
Vom Hören her weiss ich , dass die Juden hauptsächlich aus Polen stammten, doch sollten einige Transporte auch aus Wien und dem damaligen “Altreich” gekommen sein.
Die Anzahl der Menschen, die während meines Aufenthaltes in Kulmhof herangebracht und getötet wurden, weiss ich nicht. Es waren aber sehr viele.
Auf Grund meiner Wahrnehmungen als Wachposten bei der “Mühle” weiss ich, dass Juden mit einer Kleinbahn hergebracht wurden. Die “Mühle” war ein grosses Gebäude , aber nicht mehr als Mühle in Betrieb. Die Kleinbahn endete etwa 300 bis 300 m vor der Mühle. Nach der Ankunft der Kleinbahn mussten die Juden aussteigen und wurden zur Mühle geführt. In der Mühle mussten sie meistens übernachten und wurden am nächsten Tag mit LKW ins Schloss gebracht.
Ich war sehr oft zum Wachdienst bei der Mühle eingeteilt. Insgesamt waren wir jeweils drei Wachposten bei der Mühle und wurden nach zwei Stunden Dienst abgelöst und nach vier Stunden Freizeit wieder eingesetzt. Da sich die Juden in der Mühle immer ruhig verhielten und den notwendigen Anordnungen ohne Widerstand Folge leisteten, kam ich selbst niemals in die Lagen einen Juden mit Gewalt oder sonstigen Misshandlungen gefügig zu machen. Ich konnte nicht wahrnehmen und habe auch nichts davon gehört, dass Juden wegen eines etwaigen Fluchtversuches oder sonstigen Widersetzlichkeiten bei der Mühle misshandelt, erschossen oder auf andere Art getötet worden wären. Beim Verladen auf die Lkw mussten meinen Wahrnehmungen nach ebenfalls keine Gewaltmaßnahmen ergriffen werden, weil sie sich nicht widersetzlich zeigten.
Im Schloss selbst war ich nur sehr selten als Wachposten eingeteilt. Wenn ich eingeteilt war, dann nur zur Bewachung der im Schlossgebäude untergebrachten jüdischen Arbeitskommandos. Das Arbeitskommando, das ich zu bewachen hatte, hatte die Aufgabe, Kleider und Wertgegenstände, die den Juden vor ihrer Tötung abgenommen wurden, zu sortieren. Das Arbeitskommando setzte sich durchschnittlich aus 10-15 Juden zusammen, die an ihren Füßen mit Ketten gefesselt waren. Die Kleider oder Wertgegenstände, die zu sortieren waren, befanden sich entweder im Schlosshof oder in der Kirche, wobei ich hinzufügen muss, dass die Kleider und Wertgegenstände aus einem höhergelegenen Raum durch ein Fenster zu den zum Fluss abfallenden Hang des Schlossgebäudes geworfen wurden. Bei der Entkleidung der Juden, welche meines Wissens in einem höher gelegenen Raum im Schloss stattfand, war ich nie zugegen. Dies war Hauptaufgabe von eigens hierzu herangezogenen Polen. Ich war auch niemals Posten in jenen Kellergängen, durch die die Juden zum “Gaswagen” geführt oder getrieben wurden. Mir ist aber bekannt, dass die antransportierten Juden nach ihrer Entkleidung mit dem Hinweis, dass sie baden gehen müssten, zum Gaswagen geführt und dort vergast wurden.
Mit der Bedienung oder Handhabung des Gaswagens hatte ich nichts zu tun. Wie die Wachposten in den Kellergängen bzw. in den Umkleideräumen oder in der Nähe des Gaswagens bewaffnet waren, weiß ich nicht. Meines Wissens waren 3 oder 4 Gaswagen im Einsatz. Gelenkt wurden diese von Angehörigen des SS-Sonderkommandos. Wie die Lenker hießen, weiß ich heute nicht mehr. Das Gas wurde meines Wissens vom Auspuff des Motors mittels eines Schlauches in das Wageninnere geführt. Wer die Verbindung zwischen dem Auspuffrohr und dem Wageninneren mit dem Schlauch jeweils herstellte, entzieht sich meiner Kenntnis. Dem Hören nach dürften in einem Gaswagen 50-60 Leute hineingegangen sein. Wer die Zugangstüren zum Gaswagen schloss, nachdem die Juden drinnen waren, weiß ich nicht.
Mir ist aber bekannt, dass der Gaswagen mit den getöteten Menschen in das nahegelegene Waldlager fuhr. In der ersten Zeit wurden die getöteten Menschen im Waldlager verscharrt, später in einem errichteten Verbrennungs-Ofen verbrannt.
Das Waldlager war vom Schloss ca. 3-4 km entfernt und konnte vom Schloss her auf der Landstraße, welche nach Wartbrücken führte, erreicht werden. Als ich nach Kulmhof kam, bestand dieses Waldlager bereits, bei dem es sich um eine Waldlichtung im Ausmaß von ca. 300 m zu 600 m handelte.
Wieviel Massengräber und in welchem Ausmass in diesem Waldlager waren, weiss ich nicht. Ich bin wohl auch als Wachposten beim Waldlager eingeteilt worden, doch meistens nur zur Nachtzeit und immer ausserhalb des Lagers. Zur Bewachung der jüdischen Arbeitskommandos im Waldlager wurde ich nicht eingeteilt. Aufgabe der Wachposten ausserhalb des Waldlagers war, das Hineingehen Unbefugter zu verhindern und die Flucht der dort eingesetzten jüdischen Arbeitskommandos hintanzuhalten. Das Waldkommando wurde von einem Polizeimeister geführt. Ich weiss aber heute nicht mehr, wie dieser hiess. Ich selbst habe bei meinem Nachtdienst im Waldlager niemals ein Angehörigen der dort eingesetzten jüdischen Arbeitskommandos misshandelt oder getötet. Ich habe auch nicht wahrgenommen, dass im Waldlager Juden aus irgendeinem Grund, sei es, weil sie arbeitsunfähig geworden sind oder sich Anordnungen widersetzten, erschossen worden wären.
Mir ist bekannt, dass in dem errichteten Verbrennungs-Ofen im Waldlager die Leichen der getöteten Menschen verbrannt wurden. Ich habe lediglich gehört, aber nicht selbst gesehen, dass Leichen aus Massengräbern herausgenommen und verbrannt wurden. Es wurden also nicht nur die kurz zuvor im Gaswagen getöteten, sondern schon längere Zeit vorher getöteten Menschen im Waldlager verbrannt. Der Verbrennungsofen wurde von einem Angehörigen der Schutzpolizei errichtet. Es dürfte dies Hauptwachtmeister Runge gewesen sein. Ich selbst habe nicht wahrgenommen oder gehört dass auch noch lebende Menschen in den Verbrennungsofen geworfen wurden.
Meines Wissens wurde das jüdische Arbeitskommando, welches im Waldlager eingesetzt wurde, jeweils mit LKW in das Waldlager gebracht. Ich selbst war niemals beim Antransport des jüdischen Arbeitskommandos dabei. Das Brennmaterial für den Verbrennungsofen wurde in den umliegenden Wäldern von einem eigenen Waldkommando besorgt. Mit der Besorgung des Brennmaterials hatte ich niemals etwas zu tun.
Ich war des Öfteren auch als Wachtposten bei der Kirche eingesetzt, wo jüdische Arbeitskommando damit beschäftigt waren, Kleidungsstücke und sonstige Wertgegenstände zu sortieren. Die sortierten Gegenstände wurden mittels LKWs weggeschafft; man erzählte dass die Kleidungsstücke in eine Kleiderfabrik bzw. Stofffabrik gebracht wurden. Sie sollten dort angeblich als Ausgangsstoff für die Erzeugung neuer Stoffe verwendet worden sein. Was mit den Wertgegenständen geschah , weiss ich nicht. Ich selbst habe keinen wie immer gearteten Gegenstand der den Juden abgenommen wurde, erworben oder sonst wie an mich gebracht.
Für die Dienstleistungen in Kulmhof erhielten wir Sonderzulagen in Geld und Naturalien. Die Geldzulage betrug glaublich 12 Mark. Die Verpflegung war ganz gut. Während unserer Freizeit war es uns gestattet Filmvorführungen zu besuchen und mit en in der Nähe ansässigen Volksdeutschen persönlichen Kontakt aufzunehmen. Ich lernte auf diese Weise meine nunmehrige Gattin kennen, welche die Tochter eines Besitzers in der Nähe gelegenes Gutshofes war, es handelte sich um einen grösseren landwirtschaftlichen Betrieb. Ich dürfte mit dem Wachtkommando der Schutzpolizei bis ca. Mitte März 1943 in Kulmhof gewesen sein. Jedenfalls wurde ich mit den Angehörigen meines Wachtkommandos und Oberleutnant Hüfing sowie SS-Hauptsturmführer Bothmann und dessen Stellvertreter, SS-Untersturmführer N. PLatte [Plate] gleichzeitig zur SS-Division “Prinz Eugen” nach Jugoslawien versetzt und dort der Feldgendarmerie zugeteilt.
Ich glaube mich zu erinnern dass wir vor unserer Verlegung nach Jugoslawien auch in Berlin waren wo uns von einem höheren SS-Offizier eine Ansprache gehalten wurde. Ob uns in Berlin neuerlich strengstens Stillschweigen über die Vorgänge in Kulmhof auferlegt wurde, weiss ich nicht mehr. Wie ich bereits aufzeigte, geriet ich in Jugoslawien in russische Kriegsgefangenschaft. Nach Kulmhof kehrte ich nicht mehr zurück.
Lediglich vom Hörensagen weiss ich, dass das Vernichtungslager in Kulmhof später nochmals eröffnet worden sein soll. Wer damals dort eingesetzt war und von wem das Lager damals geleitet wurde, vermag ich nicht zu sagen.
Die Vernichtung der Juden wurde bei verschiedenen dienstlichen Anlässen und Besprechungen in Kulmhof als unbedingt notwendige Massnahme dargestellt. Es wurde hierbei von der “Lösung des Judenproblems” gesprochen. Ich selbst war innerlich mit diesen Massnahmen niemals einverstanden. Den Befehl mit dem Sonderkommando nach Kulmhof zu gehen und nachdem ich den wahren Zweck des Sonderkommandos in Kulmhof erfahren hatte, dort zu bleiben und den mit aufgetragenen Wachdienst zu versehen, konnte ich mich auf Grund der damaligen Situation nicht entziehen. Ich habe es gar nicht versucht meine Versetzung zu erreichen da ich ein diesbezügliches Ansuchen als zwecklos hielt. Ich habe auch niemals gehört dass es irgendeinem geglückt wäre, seine Versetzung zu erreichen. Ich habe niemals gehört dass man allenfalls durch eine Meldung zum Fronteinsatz eine Versetzung erreichen könnte. Für den Fall einer Befehlsverweigerung hatte ich mit strengster Bestrafung rechnen müssen, obwohl ich heute nicht mehr sicher weiss, mit welcher Bestrafung man bei Befehlsverweigerung hätte rechnen müssen.
Da ich lediglich den mir auf ertragenen Wachdienst verrichtete, selbst aber keine Menschen in Kulmhof misshandelte oder durch sonstige Handlungen oder Unterlassungen zu ihrer Tötung beigetragen habe, fühle ich mich des Tatbestands der mir nunmehr strafrechtlich vorgeworfenen wird, nicht schuldig.
Über das Verhalten und die Funktion der einzelnen Angehörigen des Polizeiwachtkommandos und des SS-Sonderkommandos kann ich heute keine sicheren Angaben mehr machen. Wenn mir nun einzelne Namen vorgehalten werden, so gebe ich hierzu wie folgt an:
SS-Hauptsturmführer Lange: Wie er mit Vornamen hiess, weiss ich nicht. Er war Lagerkommandant vor dem SS-Hauptsturmführer Bothmann. Wie sich Bothmann gegenüber den Juden verhielt, ob er persönlich Juden tötete, oder sie sonst misshandelte, weiss ich nicht.
SS-Untersturmführer Platte [Plate] war meines Wissens Stellvertreter von Bothmann. Sowohl er als auch Bothmann hielten sich sehr häufig sowohl im Schloss als auch im Waldlager auf.
Erwin Bürstinger: Meines Wissens war er Angehöriger des SS-Sonderkommandos. Er hatte glaublich den Dienstrang eines Oberscharführers. Weitere Angaben kann ich über ihn nicht machen.
Burmeister: Der Name kommt mir bekannt vor. Ich weiss aber nicht mehr, welche Funktion er in Kulmhof ausübte.
Ludwig Jung [Junk]: Mit diesem dürfte ich glaublich schon in Litzmannstadt beisammen gewesen sein. Er war so wie ich, lediglich Wachtposten in Kulmhof.
Theodor Malzmüller: Auch mit diesem war ich in Litzmannstadt schon beisammen. Ob er und Ludwig Jung gleichzeitig mit mir nach Kulmhof kamen, weiss ich nicht sicher, es könnte aber so gewesen sein.
Gustav Laabs: Er war Angehöriger des SS-Sonderkommandos. Ich glaube mich zu erinnern, dass er mit einem Gaswagen fuhr.
Gustav Hüfing: Er war Kommandant des Polizeiwachtkommandos und der unmittelbare Vorgesetzte der Polizeiangehörigen.
Otto Böge: Sicher weiss ich, dass er während meiner Zeit in Kulmhof war, kann mich aber nicht mehr ganz an seine Funktion erinnern. Es ist möglich das er Spieß des Polizeiwachtkommandos war.
Polizeimeister Willi Lenz: An einen Mann solchen Namens kann ich mich nicht erinnern.
Polizeimeister Alois Häfele: Dieser war hauptsächlich im Schloss tätig. Ihm unterstanden m.W. auch die Polen.
Revieroberwachtmeister Johannes Runge: Dieser war glaublich mit einem Kommando aus Posen gekommen. Er war ständig im Waldlager eingesetzt und Erbauer des Verbrennungsofens.
Johann Heilbrunner: Mit diesem war ich schon in Porlitz beisammen; ob ich mit ihm gleichzeitig nach Kulmhof kam, vermag ich jedoch nicht zusagen. Welche Funktionen er in Kulmhof innehatte und wie er sich den Juden gegenüber verhielt, weiss ich nicht.
Die übrigen aus dem Akt vorgehaltenen Namen der Angehörigen des Polizeiwachtkommandos S.31 – 37 sind mir zum Teil bekannt, jedoch vermag ich über das Verhalten und die Funktion dieser Namensträger in Kulmhof keine sicheren Angaben zu machen.
Lichtbilder von mir aus der Zeit in Kulmhof besitze ich nicht, da sie durch die Kriegsereignisse verloren gegangen sind.
Ende 16 Uhr
VB. Mayer eh.
Dr. Tinhof eh.
Josef Peham e.h.